Yoga für Dreadheads
Es ist immer wieder überraschend, wie schwer Haare werden können. Viele Dreadlockträger*innen halten ihre Dreads als Bun (Dutt wurde es früher genannt, „Bun“ klingt irgendwie mehr hipster…irgendwie cool. #Dutt = öde, #DreadBun = cool), entweder oben am Scheitel, am Hinterkopf oder zu einer Seite geneigt. Kaum merklich schleicht sich dabei eine einseitige Belastung der Nacken- und Schädelkranzmuskulatur ein. Auch unbedachte Bewegungen beim Waschen der Dreadlocks kann zu schmerzhaften Verspannungen führen. Oder aber wie bei mir: beim Tanzen auf der Bühne (Bühne?! Lies hier nach) wirbelte ich meine Pracht und sitze nun mit Schmerzen im Nacken hier und fühle mich inspiriert, dir ein paar Tipps zu geben, wie du auch deine Schmerzen lindern kannst.
Was sind Muskelverspannungen?
Jeder kennt das, wenn es im Schulter- und Nackenbereich sticht. Die Muskulatur ist steinhart, Kopfbewegungen tun weh und im schlimmsten Fall ziehen die Schmerzen bis in die Hände und Finger. Anders als bei einer Sehnenscheidenentzündung oder Verspannung in den Armen merkst du, dass sich der Schmerz verändert, wenn du deinen Kopf drehst oder neigst. Was du bei Schmerzen im Arm und den Händen tun kannst, kannst du hier lesen: Sehnenscheidenentzündungen vorbeugen.
Bei einer Muskelverspannung kontrahiert der Muskel unwillkürlich, das heißt, unbewusst und nicht gesteuert und bleibt dauerhaft angespannt. Dabei werden kleine Gefäße, sog. Kapillaren, zusammengequetscht und der Muskel wird nicht mehr richtig durchblutet. Die verminderte Durchblutung kann auf lange Sicht zu Entzündungen führen.
Muskelverspannungen entstehen häufig durch Fehlhaltungen und besonders bei Dreadlocks kann man Gefahr laufen, das Gewicht der Haare ungleichmäßig verteilt zu tragen oder beim sexy Schwung des Kopf unter der Dusche einen Schlag wegzubekommen.
Was man gegen Nackenschmerzen tun kann
Zunächst musst du dir sicher sein, dass die Schmerzen von den Muskeln kommen. Es kann im schlimmsten Fall sein, dass du dir einen Bandscheibenvorfall in den Hals- oder Brustwirbeln zugezogen hast. Die Symptome sind aber viel heftiger, als bei einer simplen Muskelverspannung, die schon sehr schmerzhaft sein kann. Im Zweifelsfall stattest du besser deinem Arzt einen Besuch ab.
Hast du dich versichert, dass die Beschwerden muskulär sind, gibt es ein paar Hacks, um die Schmerzen selbst zu lindern und auch vorzubeugen.
Als erstes hilft stets Wärme. Wenn du die Muskeln wärmst, förderst du die Durchblutung, so dass oftmals schon innerhalb weniger Minuten die Schmerzen nachlassen können. Wärme führt dazu, dass der Muskel entspannt und sich die Gefäße erweitern. Infrarot-Lampen, Wärmesalbe, Pflaster, heiße Duschen oder ein Bad sind ideale Wärmequellen bei Nacken- und Schulterproblemen.
Eine andere Möglichkeit, die Muskeln zu entspannen, sind Massagen. Eine Triggerpoint-Massage bedeutet beispielsweise, den Knubbel im Muskel zu ertasten und Druck auf ihn auszuüben, bis er weich wird. Knetende Bewegungen oder das Ausstreichen sind erste-Hilfe-Griffe, wenn du dir aber unsicher bist, lasse dich von einem Profi massieren (oder von mir) und suche ein Massagestudio deines Vertrauens auf. Du kannst dir Massagen auch auf Rezept verschreiben lassen!
Außerdem: trag deine Haare öfter offen. Dadurch verteilt sich das Gewicht gleichmäßig und die feine Muskulatur im Nacken und Schädelansatz wird entlastet. Lass es wallen!
Yoga-Übungen bei Nacken- und Schulterschmerzen
Es ist wichtig, die Muskeln im Nacken und den Schultern beweglich zu halten und durch sanfte Dehnübungen zu lockern.
Bevor du nun ganz hipstermäßig deinen Bun schnürst und die Yogamatte ausrollst, hier noch schnell ein paar Sicherheitshinweise:
Das Rauchen ist auf der gesamten Strecke des Fluges nicht gestattet, die Notausgänge befinden sich vorne und hinten, achte darauf, dass der Schmerz ein Dehnungsschmerz ist – er ist deutlich vom spitzen Schmerz einer Verletzung zu unterscheiden, gehe daher langsam in die Übungen hinein, lass dir Zeit, atme tief und passe die Stellungen deinem Körper an und nicht anders herum.
Und nun, let´s fly!
- Setze dich auf einen Stuhl oder so auf den Boden, dass du die Wirbelsäule aufgerichtet halten kannst. Lege ein hartes Kissen oder ein zusammengerolltes Handtuch unter dein Steißbein, um dir mehr Stabilität zu geben. Falte deine Hände auf dem Hinterkopf, lass dann dein Kinn zum Brustbein sinken. Ziehe nicht an deinem Kopf, lass einfach die Schwerkraft wirken, deine Ellenbogen sinken neben deinen Ohren Richtung Boden. Entspanne beim Ausatmen deinen Nacken. Öffne dann deine Brust, entfalte deine Ellenbogen nach außen, rolle dein Sternum (das Hippie-Wort für „Brustbein“) zur Decke (oder zum Himmel) und lege deinen Kopf ach hinten; halte ihn aber weiterhin mit den Handflächen. Atme dabei tief ein. Beim Ausatmen faltest du dich wieder zusammen zur Ausgangsposition. Atme so 5-10 Mal.
- Lasse nun mit dem nächsten Ausatmen dein linkes Ohr zu deiner linken Schulter sinken. Achte darauf, dass dein Gesicht nach vor schaut und nicht etwa schräg nach oben oder unten. Deine Arme hängen neben deinem Körper. Wandere dann mit deinen rechten Fingern über den Boden, weg von deinem Körper, so dass die rechte Halsseite noch etwas stärker gedehnt wird. Wenn du dich noch intensiver dehnen willst, kannst du deine linke Hand auf deine rechte Schläfe legen. Aber Obacht! Nicht ziehen! Um atme ein paar mal tief ein und aus und spüre in die seitliche Dehnung hinein. Um die Stellung zu verlassen, legst du deine linke Hand auf deine linke Wange und schiebst deinen Kopf nach oben. Lasse dann deinen Kopf nach rechts sinken und wiederhole die Prozedur. Vergiss das atmen nicht!
- Zwischenübung! Ziehe deine Schultern kräftig zu den Ohren, halte die Spannung für 5-10 Sekunden und löse sie dann ausatmend wieder. Diese Entspannungsübung nach Jacobsen nennt sich progressive Muskelentspannung. Durch das bewusste An- und Entspannen lernen wir, wieder sensibel zu werden für unseren momentanen Spannungszustand. Unsere Muskulatur wird dazu aufgefordert, zu entspannen. Du kannst diese Übung mit jedem (Jedem!) Muskel des Körpers machen.
- Komm nach vorn in den Vierfüßlerstand (ein Schelm, wer versautes dabei denkt!), deine Hände sind unter den Schultern, deine Knie unter deiner Hüfte und ebenso breit geöffnet. Lass dann zunächst deinen Bauch, dein Brustbein und deine Stirn entspannt zu Boden sinken. Dabei fällst du in ein Hohlkreuz, deine Schulterblätter werden sanft zusammengedrückt, dein Nacken langgezogen. Einatmend steckst du das Kinn noch weiter zum Brustbein und rollst, vom Steißbein ausgehend, in einen Buckel. Strecke deine Schultern kräftig nach oben und auseinander. Ausatmend rollst du, wieder vom Steißbein ausgehend, in ein Hohlkreuz, hebst das Brustbein und das Gesicht zur Decke. Rolle so von einer Seite zur anderen.
- Dein Nacken und deine Schultern sind nun bereit, um in etwas intensivere Arbeit einzusteigen. Lege dich auf den Bauch, strecke deine Arme nach hinten aus, deine Handflächen zeigen zum Boden. Hebe nun deinen Oberkörper aus der Kraft des dir verliehenen Amtes und deines Rückens an und bring auch deine Beine leicht gespreizt nach oben. Das ganze nennt sich die Schwalbe und stärkt die gesamte Rücken- und Nackenmuskulatur. Versuche, deine Brust zu öffnen, damit deine Brustmuskulatur gedehnt wird. Denn oftmals verkürzen sich gegenüberliegende Muskeln (also Schulter – Brust), so dass Schonhaltungen zu weiteren Verspannungen führen. Atem, wie immer, tief in den Bauch und halte die Position für 5-10 tiefe Atemzüge (flaches Hecheln zählt nicht). Lass dich dann auf den Boden sinken.
- Drücke dich nach hinten, in die so called „Stellung des Kindes“. Dabei legst du deinen Oberkörper auf oder zwischen deine Oberschenkel und setzt dich auf deine Versen. Deine Stirn liegt auf dem Boden, deinen Händen oder aber auf einem Kissen. Du kannst dir auch ein Kissen unter deinen Sexypo schieben, um bequemer zu sitzen. Bleib hier und spüre, wie deine Wirbel auseinandergezogen werden.
- Richte dich langsam auf, der Kopf bleibt bis zum Schluss hängen, und komm wieder zum sitzen. Strecke deine Beine nach vorn aus. Mit dem nächsten Einatmen steckst du die Arme über die Seite über den Kopf und ziehst dich nochmal aus der Hüfte raus. Lasse dich dann nach vorn sinken und leg deine Hände dort ab, wo sie liegen wollen. Dein Kinn sinkt zur Brust und du spürst eine Dehnung von den Zehen bis zur Stirn. Stell dir vor, du würdest durch dein Steißbein und Wirbelsäule bis in die Schädeldecke hineinatmen und lass deine Rücken-und Schultermuskulatur mit jedem Ausatmen los. 5-10 Atemzüge halten.
- Strecke dann deine Arme neben den Ohren aus, komm nach oben und lege deine Hände hinter den Körper. Bring dein Becken nach oben und lass den Kopf entweder auf der Brust liegen oder nach hinten sinken. Bau Spannung auf und strecke deinen gesamten Körper.
- Lass dich dann direkt auf den Rücken sinken, leg deine Arme im rechten Winkel zu deinem Körper mit den Handflächen nach oben. Bring deinen rechten Fuß auf dein linkes Knie, dreh den Kopf nach rechts und lass den Körper nach links sinken. Atme tief in den Bauch hinein und stell dir bei jedem Einatmen vor, wie du Scheitel und Steißbein auseinanderziehst. Mach dich lang. Ausatmend entspannst du deine Hüfte und deinen Rücken. Komm einatmend nach oben und baue die Stellung andersherum auf, indem du den linken Fuß auf das rechte Knie stellst, den Kopf nach links drehst und den Körper nach rechts sinken lässt. Atme wieder tief in den Bauch und komm nach 5-10 Atemzüge nach oben. Strecke dich aus und spüre, wie sich dein Rücken anfühlt.
- Zieh deine Füße zum Gesäß und lass deine Knie nach rechts und links fallen, so dass sich deine Fußsohlen berühren. Entspanne hier einfach und atme in deine Leisten. Die Stellung entlastet den unteren Rücken und öffnet die Hüfte. Was das mit dem Nacken zu tun hat? Also zunächst einmal hilft entspannen immer. Dann kannst du dir vorstellen, wie in deinem gesamten Körper ein Netzwerk aus Faszien (sieht in etwa so aus wie Zuckerwatte) Muskeln und Organe umgibt. Dieses Netzwerk wird an keiner Stelle unterbrochen, so dass zum Beispiel eine verspannte Hüfte die Faszien verzieht und dann auch der Nacken „schief“ steht. Oder anders herum. Außerdem ist die Hüfte dafür verantwortlich, dass dein Oberkörper aufgerichtet wird. Hier wird die Wirbelsäule stabilisiert und gehalten. Ist die Hüfte verspannt, wird auch die Wirbelsäule schief aufgerichtet, wodurch der Nacken schief steht, was sich wiederum auf den Kiefer auswirken kann… und so weiter. Jedenfalls: bleib in der Position, so lange, wie es für dich angenehm ist und genieß einfach das Rumliegen.
Falls du nun super erleuchtet bist, kannst du deine Haare natürlich auch zu einem Shiva-Bun binden. Andernfalls würde ich dir empfehlen, die Übungen 3-5 Mal die Woche zu wiederholen. Das ganze wird so 10-25 Minuten dauern, je nachdem, wie viel Zeit du dir lässt. Die Progressive Muskelentspannung kannst du auch beim Zähneputzen probieren, beiß aber nicht in deine Zahnbürste!
Solltest du öfter Schmerzen im Nacken, Kiefer und Kopf haben, lohnt es sich außerdem, deine Zahnarzt aufzusuchen und testen zu lassen, ob du mit den Zähnen knirscht (oder frag deine*n Freund*in, wie das nachts so ist mit dir) oder sie presst. Beides führt zu übermäßigem Druck und Verspannungen.
Viel Spaß und Safety first beim Yoga!