Von Dreadlocks Klischees und Artenvielfalt

Interview mit DeadFactory-Kundin Lena

Kennst du das, wenn du durch die Stadt flanierst oder in der Bahn vor dich hinträumst und plötzlich ein wilder Dreadhead in deinem Blickfeld erscheint? Und kennst du das, wenn du dir dann ganz wilde Stories überlegst, wo diese*r wohl her kommt, wo er oder sie hingeht und was er oder sie wohl für ein Leben führt?

Im Interview von heute befindet sich Lena, die mir (Lisa) seit meiner ersten Stunde als Dreadstylistin bei der DreadFactory – und als Testobjekt auch davor schon –  immer wieder ihr Vertrauen schenkt und die DreadFactory für Rat und Tat aufsucht, um sich ihre Dreads hegen und pflegen zu lassen. In diesem Interview soll es um Lenas Alltag, aber auch um Klischees gehen, denen ein Dreadhead doch immer wieder begegnet.

Der Wind fährt durch Lenas Haar, als sie mit ihren Rollschuhen angedüst kommt, um sich von mir in die Mangel nehmen zu lassen. Nachdem Lena sich ihre Dreads aus dem Gesicht gefischt hat und mit Abstand neben mir Platz nimmt, kann es auch schon losgehen!

Lisa: Hallo Lena, schön, dass du da bist. Wie war denn dein Tag heute so? 

Recht unspektakulär muss ich sagen, aber angenehm ruhig. Bei dem guten Wetter kann man schön im Garten relaxen. Viele andere Optionen hat man ja gerade nicht.

Lisa: Da hast du wohl recht. Dann ist deine Umgebung also genauso grün wie deine Dreadmähne!  Wie machst du das denn mit dem Färben und Pflegen? Gibt es Tipps, die du unseren LeserInnen mit auf den Weg geben kannst? 

Ich färbe meine Haare mit Elumen, das hält besonders gut auf hellem Naturblond, da spare ich mir das umständliche Vorblondieren. Meine Spitzen trage ich offen und teilweise mit kleinen Flechtzöpfchen als Highlights. Meistens palmrolle ich nach dem Duschen und zum nachdreaden besuche ich meine Lieblings-Dreaderin, die macht mich jedes Mal wieder wunderschön! Selbst dreaden habe ich wenig erfolgreich versucht und eine Tiefenreinigung wäre auch mal wieder angebracht. 😀

Lisa: Ja, immer diese Tiefenreinigung…. Sind wir da nicht alle ein bisschen faul? Wie ist das denn mit dem Waschrhythmus bei dir, wie oft wäscht du und mit was?

Da ich nur Partial Dreads (nur einen Teil der Haare verdreadet) habe, ist das tatsächlich nicht immer ganz einfach. Ich mache sehr viel Sport und wasche deshalb die Haare 4-5 Mal die Woche, im Sommer sogar öfter. Meistens nutze ich das Shampoo nur für den offenen Teil meiner Haare und die Dreads wasche ich mit Wasser – oder versuche, sie so gut es geht, trocken zu lassen. Die Dreads werden dann ein- bis zweimal in der Woche mit Shampoo gut durchgewaschen. Anfangs habe ich flüssige Kernseife genommen, aber mittlerweile nutze ich einfach das gleiche Elumen-Pflegeshampoo wie für den Rest des Kopfes. Für den guten Duft werden dann noch die Spitzen mit Dreadlocks-Shampoo oder Duftspray gepflegt. 

Lisa: Ohja, in so manche Dreadlocks-Düfte könnte ich mich auch verlieben. Aber das klingt bei dir ja dann nach einer halbwegs machbaren Sache mit dem Waschen.  Das Klischee, man würde seine Dreadlocks nicht waschen, können wir also definitiv nicht bestätigen. Kommt es denn oft vor, dass du mit Klischees identifiziert wird, die dir so gar nicht entsprechen?

Tatsächlich fast gar nicht. Ich glaube, die Leute wissen bei meinen grünen Dreads, den Piercings und den schwarzen Klamotten gar nicht, welche Klischees sie zuerst anwenden sollen. Viele wissen auch nicht, wie sie auf Partial Dreads reagieren sollen und empfinden mich gar nicht als „ganzen“ Dreadhead. 

Lisa:  Hmm, da könntest du vielleicht recht haben, dass du schwierig einzuordnen bist, aber das ist doch was Schönes. Artenvielfalt sozusagen. Und andersrum – gibt es Klischees, mit denen du sagen würdest übereinzustimmen? 

Ich würde mal sagen, der etwas gechilltere Lifestyle passt schon ganz gut zum Dreadhead-Hippie-Klischee. 😀 Meine Freizeit ist mir wichtiger als ein dicker Geldbeutel und ich träume von einem autarken Leben in einer kleinen Kommune. Aktuell baue ich im Garten mein eigenes Gemüse an und halte Wachteln, die mich jeden Tag mit frischen Eiern versorgen.

Lisa: Aww, Wachteln, wie toll! Selbstversorgung ist schon eine feine Sache. Und tatsächlich etwas, das ich persönlich von vielen Dreadheads kenne. Welche Fragen bekommst du denn am häufigsten gestellt?

In meinem Freundeskreis gibt es einige Dreadheads, da spricht man meistens über die sinnvollste Tiefenreinigung, das beste Tightening Spray oder den neuesten Dreadschmuck. Von Nicht-Dreadträgern kommt meistens eher die stereotype Frage nach der Hygiene und „wie man das so macht“ mit diesen komischen Filzhaaren.

Lisa: „Wie man das so macht“- das trifft den Nagel wohl auf den Kopf.  Nun sind wir ja auch hier, um mal einen kleinen Einblick in den Alltag eines Dreadheads zu bekommen. Vor einer Neuerstellung fragen sich natürlich viele Interessierte, ob man mit Dreadlocks überhaupt eine Arbeitsstelle findet. Wie gestaltet sich denn dein Arbeitsplatz, der für gewöhnlich ja eine Menge Raum  im Alltag eines Menschen einnimmt?

Momentan schreibe ich meine Masterarbeit und daneben  bin ich Hilfskraft an der Universität – meine Dreads und die Haarfarbe waren da noch nie ein Gesprächsthema – und das finde ich super so. Wenn ich einen Job mache, dann sollte es immer um Eignung und Kompetenz gehen und nicht um Optik. In einem Jahr kann ich da sicher mehr dazu sagen, wenn ich mich mit dem Berufsmarkt besser auseinandergesetzt habe. Aktuell hoffe ich, dass Arbeitgeber keine Vorurteile gegen die Haare haben, wenn ich mich vorstelle. Ich bin aber davon überzeugt, dass ich mit einer Stelle, wo man schon zu Beginn nur auf unreflektierte Vorurteile trifft, nicht lange glücklich wäre. 

Lisa: Dem stimme ich dir voll und ganz zu. Wie sieht es bei dir denn mit dem Veganer-Klischee aus, trifft das bei dir zu? Wie ernährst du dich?

Lena: Wild ;D Ich esse prinzipiell alles, mittlerweile versuche ich darauf zu achten, mich weg vom Fertigessen hin zu einer ausgewogenen Ernährung zu bewegen – da stehe ich aber noch am Anfang. Ich versuche gern Neues und bin selbst gespannt, wo es mich hintreibt.

Lisa: Joa, man ist halt doch das was man isst, nicht? Aber das klingt doch nach einer sehr gesunden Richtung. Du hast erwähnst, dass du Sport treibst. Welchen denn? 

Ich bin Teamcaptain eines Roller Derby Teams in der ersten Bundesliga. Das ist ein Vollkontaktsport auf Rollschuhen, der sowohl körperlich als auch geistig anstrengend sein kann, aber einen Haufen Spaß macht 🙂 Dazu gehe ich mit den Rollschuhen gern in die örtlichen Skateparks und versuche mich an Tricks in der Miniramp und im Street-Bereich. Mein großes Ziel ist es, einen Handstand in einer großen Halfpipe zu schaffen. Das ist aber eher so der 5-Jahres-Plan.

Lisa: Roller Derby, das klingt ja total krass und spannend! Und so exotisch. Kannst du dich denn mit der Skater-Szene identifizieren?

Ich glaube nicht, dass ich mich in allen Facetten mit einer einzigen Szene identifizieren kann – durch meine unterschiedlichen Interessen gehöre ich überall ein bisschen dazu, aber nirgends richtig. Damit fühle ich mich aber eigentlich ganz wohl und kann von vielen unterschiedlichen Einstellungen, Eindrücken und Meinungen profitieren.

Lisa: Sehr schöne Einstellung, wie ich finde. Ich bin auch der Meinung, dass man von allem was mitnehmen sollte, um seinen Horizont zu erweitern. Hast du denn sonst noch andere Hobbies?  Bisher klingt dein Alltag ja schon ziemlich bunt und voll.

Neben dem Garten, dem Skaten und dem Studium bleibt nicht immer viel Zeit für anderes, aber ich tobe mich gerne an meinem Basteltisch aus und stelle selbst Schmuck her, beschäftige mich mit meinen Ratten und kann mich auch mal eine Woche mit Videospielen beschäftigen. 

Lisa: Lena, ich würde sagen du bist ein Mensch, bei dem es viel zu entdeckt gibt! Ist ja Wahnsinn, was du alles machst. Total toll! Würdest du sagen, dass du dich der Dreadlock-Szene angehörig fühlst?

Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich habe mich aber auch noch nie eingehender damit beschäftigt und weiß auch nicht, was die Dreadlock-Szene so ausmacht, vielleicht kannst du mich ja erleuchten?

Lisa: Hmm, das kann ich dir ehrlich gesagt auch nicht so recht sagen. Ich kenne viele Dreadheads durch meine Arbeit als Dreadstylistin, aber alle sind vollkommen unterschiedlich. Vielleicht die Vielfalt und Offenheit?
Immer wieder kommt es vor, dass ich gefragt werde, ob ich Person xy kenne, da diese ja auch Dreadlocks hat. Geht dir das auch so? Gehen deine Mitmenschen ebenfalls davon aus, dass sich alle Dreadheads in derselben Stadt untereinander kennen?

Nein, das ist mir noch nie passiert. Ist das etwa nicht so? ;D

Lisa: Haha, der war gut. Welche Musikrichtung  feierst du so richtig?

Bis vor ein paar Jahren hätte ich hier mit „eindeutig Metal“ geantwortet, mittlerweile ist mein Musikgeschmack aber ein bisschen vielseitiger geworden und situationsspezifischer. Mit Freunden trinke ich gern ein Bier bei Progressive Metal oder Alternative Rock, zum Sport passt ganz gut Punkrock und zum Chillen auch gern Grunge. Immer das, was gerade Bock macht.

Lisa: Also irgendwas Rockiges ist immer gut, so wie ich das sehe. Und zu allerletzt: Würdest du zurücklächeln, wenn dir ein anderer, fremder Dreadhead zulächelt? 

Ich würde auch zurück lächeln, wenn der Fremde keine Dreads hätte. 😉

Lisa: So muss es sein! Liebe Lena, vielen Dank für deine Zeit und für den Einblick, den du  uns in deinen Alltag gewährt hast. Ich sag mal, spätestens bis zur nächsten Pflege!


 

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