Wer erstellt die Dreadextensions?

In diesem Artikel möchte ich ganz transparent mit euch teilen, wer unsere Dreadverlängerung unter welchen Konditionen in welchem Land erstellt und warum ich es wichtig finde, sich als Chefin persönlich von den Arbeitsbedingungen zu überzeugen, wenn man externe Unternehmen beauftragt. Das gilt sowohl für deutsche als auch ausländische Unternehmen. Es ist mir persönlich ein Herzensanliegen, dass alle beteiligten Personen sich mit dem, was sie tun, wohl fühlen und langfristig mit uns zusammenarbeiten wollen.

Made in Europe

Ich möchte gar nicht um den heißen Brei herum reden: Wir lassen die Locsextensions explizit in Europa produzieren, da wir hier eine Art Bewusstsein über die geltenden Arbeitsbedingungen haben. Ich werde zwar ungefähr wöchentlich von Unternehmen in China angeschrieben und möchte diesen gar nicht subtil unterstellen, dass dort irgendwas nicht rechtens abläuft, jedoch habe ich einfach das Gefühl, dass ich europäischen Unternehmen im Bezug auf Arbeitsbedingungen, Arbeitnehmerschutz, Urlaubsanspruch und Mutterschutzgesetze mehr trauen kann, da die Strukturen so ähnlich sind wie ich sie aus Deutschland kenne. Genau genommen ist es so, dass ich ein in der Ukraine agierendes deutsches Unternehmen mit der exklusiven Produktion unserer Dreadextensions beauftrage. Die eine Hälfte der Mitarbeiterschaft wohnt in Deutschland, die andere in der Ukraine. Ich habe persönlich und zusammen mit meinen MitarbeiterInnen die Belegschaft geschult, sodass die Produkte ganz genau nach unseren Qualitätsansprüchen gefertigt werden. Durch die Nähe zur Ukraine haben wir außerdem die Möglichkeit, uns gegenseitig zu besuchen und gemeinsam zu arbeiten. Ich kenne jede einzelne MitarbeiterIn persönlich, die an der Produktion unserer Produkte einen Anteil hat.

Klartext: Warum deutsch-ukrainisch?

Wir nutzen die deutsch-ukrainischen Strukturen vor allem aus zwei Gründen:

  1. Deutsche Gesetze: Da wir in „größerem“ Stil (also mehr als ab uns zu mal ein Set) produzieren, dies aber ein Dorn im Auge der deutschen Handwerkskammer ist, sind wir mit der Produktion umgezogen und haben sie ins Ausland und an den Ort gelegt, an dem auch die Echthaare gesammelt, gewaschen und sortiert werden: die Ukraine.
  2. Standortvorteil: Die Ukraine ist förmlich das Echthaar-Mekka Europas. In Osteuropa ist es üblich, dass man seine Haare verkauft, wenn man sie abschneiden lässt – das Bewusstsein über den Wert von Haaren ist in der Bevölkerung viel ausgeprägter als bei uns. Da in der Ukraine die sogenannten Hairscouts sind, die die Haare zusammen sammeln, aufbereiten und anschließend weiter verkaufen, war es nur sinnvoll für uns, die Produktion der Locs auch dort stattfinden zu lassen, um Lieferwege so gering wie möglich zu halten.

Ich möchte nicht bestreiten, dass natürlich auch die Produktionskosten in der Ukraine geringer sind als in Deutschland. Die Miete, die unser Partnerunternehmen in Deutschland zahlt, ist ungleich viel höher als die Miete, die das gleiche Unternehmen in der Ukraine gezahlt. Die Lebenshaltungskosten sind viel geringer als bei uns und damit sind die Löhne natürlich auch geringer. Würden wir komplett in Deutschland produzieren, könnten wir euch die Dreads nicht zu den Preisen verkaufen, zu denen wir sie euch zur Zeit anbieten. Es ist also ganz offensichtlich ein Unterschied im Lebensstandard da, doch die Arbeit dort nicht anzubieten, halte ich für den schlechteren Weg. Warum ich das denke, erkläre ich weiter unten im Artikel.

Werden die Schnitthaare fair bezahlt?

Das Verkaufen der Haare von Privatpersonen ist in Osteuropa viel normaler und verbreiteter als in Westeuropa, wo Haare nach dem Friseurbesuch einfach entsorgt werden. Dort wissen die Menschen, dass sie je nach Haarlänge einen guten Preis für ihre Haare erzielen können. Durch dieses Bewusstsein kommen natürlich viel mehr Haare zusammen als bei uns in Deutschland. Es fahren in Osteuropa Hairscouts durch die entlegenen Dörfer und pinnen an jeden Laternenmast Zettel mit der Aufschrift „Kaufe Haare teuer“ (siehe Beispielanzeigen unten). Das bedeutet, es herrscht dort für die Haare ein freier Markt und das wiederum bedeutet, dass die interessierte Person sich nach den aktuellen Preisen informiert und entsprechend dem Höchstbietendem die Haare verkauft. Da sie wissen, dass der Bedarf an hellem europäischen Haar groß ist, geben sie ihre Haare natürlich auch nicht unter Wert her.

Leider kann ich euch nur schwer konkrete Zahlen nennen, da es für jeden Zopf wirklich immer wieder eine einzelne Verhandlungssache ist und auch ungefähre Werte ständig variieren würden je nach Marktentwicklung (Angebot und Nachfrage). Trotzdem hinterfragen wir natürlich, ob die Haare, die wir nutzen, ethisch vertretbar sind. Und hier müssen wir sagen, dass es sicherlich auch mal sein kann, dass sich eine Person dort ihre Haare wegen finanziellen Schwierigkeiten abschneiden lässt (das sind ja immer individuelle Gründe, die nicht nachgeprüft werden), allerdings gilt das nicht für die Haare, die wir verwenden, sondern für wirklich lange blonde Haare mit mindestens 50 cm Länge, bei denen 300 bis 500 Euro an die früheren Trägerinnen gezahlt werden. Wir lassen unsere Dreadextensions jedoch nur aus kürzeren Haaren fertigen, sodass ihr ganz sicher sein könnt, dass diese Haare aus modischen Gründen von ihren früheren TrägerInnen abgeschnitten wurden und nicht etwa aus einer Not heraus.

Arbeitsbedingungen & unsere Werte

Unsere Dreadfeen kommen aus der ukrainischen Provinz. Sie wohnen auf dem platten Land bei ihren Familien, etwa 50 km von Kiew entfernt. Wenn ich sie besuchen fahre, brauche ich vom Flughafen in Kiew über zwei Stunden mit einem PKW bis ich in dem Dorf ankomme. Während man in Kiew 1000-2000 EUR Miete pro Monat für eine Wohnung zahlt, kann man auf dem Land diesen Betrag für die gesamte Jahresmiete rechnen. Das führt dazu, dass viele UkrainerInnen jeden Morgen den Weg von ihren weit entfernten Dörfern mit dem Bus bis nach Kiew fahren und am Abend wieder zurück. Gerade im Winter ist der Weg sehr beschwerlich, da die Busse manchmal zu voll sind, um alle mitnehmen zu können – die Infrastruktur der öffentlichen Verkehrsmittel ist „furchterregend schlecht“ bishin zu „nicht vorhanden“ und eigene PKW besitzen normale Arbeiter eher nicht – so fühlen sich dann 40km dort wie 300km bei uns an. Einer „unserer“ Mitarbeiter erzählte mir, dass er früher, als er noch in Kiew beschäftigt war, regelmäßig in ein Hostel gehen mussten da es für ihn keine Möglichkeit mehr gab, abends nach Hause zu fahren. In Kiew sind jedoch die entsprechenden Fabriken, wo es für die Menschen aus dem „Speckgürtel“ mögliche Arbeitsplätze gibt. Diese Jobs werden häufig gewechselt, die Kündigungsfrist seitens der Arbeitnehmer beträgt nur 2 Wochen, weswegen hier eine große Fluktuation herrscht. Man lebt etwas mehr von der Hand in den Mund als bei uns. Da die Ukraine aber früher in der Sowjetzeit sozialistisch war, bestehen hier sogar stärkere Arbeitnehmerschutzrechte als bei uns, z.B. im Bereich Mutterschutz/Elternzeit und Lohnfortzahlung. Trotzdem wechselt man einfach den Job, wenn man irgendwo was besseres in Aussicht hat oder wenn es einem einfach nicht mehr gefällt. Da diese Mentalität weit verbreitet ist, haben wir uns folgende Grundsätze gesteckt:

  • Lebensqualität durch geringe Arbeitswege: Wir bringen nicht die MitarbeiterInnen zum Arbeitsplatz, sondern den Arbeitsplatz zu den MitarbeiterInnen. Daher hat unser Partnerunternehmen in dem Heimatdorf der MitarbeiterInnen einen Arbeitsraum angemietet. So fallen weite und beschwerliche Wege zur Arbeit weg und die MitarbeiterInnen können sich mehr um ihre Familien kümmern.
  • Flache Hierarchien: Es wird auf ausreichend Pausen und Dehnübungen für die Hände und Arme geachtet, um gesundheitliche Beschwerden zu vermeiden. Das Arbeitsklima ist zwar produktiv, aber auch freundschaftlich locker. Kritik und Wünsche der MitarbeiterInnen werden ernst genommen und soweit möglich umgesetzt. Die Kommunikation findet respektvoll und auf Augenhöhe statt.
  • Faire Bezahlung und sichere Arbeitsplätze: Das Gehalt ist überdurchschnittlich hoch, der Durchschnittslohn der Mitarbeiterinnen liegt mehr als vier mal so hoch wie der allgemeine Durchschnittslohn in der Ukraine und natürlich auch viel höher als der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn. Da die MitarbeiterInnen von uns als Fachkräfte und nicht nur als ungelernte ArbeiterInnen betrachtet werden, sollten sie unserer Ansicht nach auch mindestens so bezahlt werden. In der Ukraine sind 20 Urlaubstage pro Jahr vorgeschrieben, wobei dieser nicht immer bezahlt wird. Die MitarbeiterInnen unseres Partnerunternehmens allerdings bekommen 30 Tage bezahlen Urlaub, wenn sie keine Kinder haben und 40 Tage bezahlten Urlaub, wenn sie Kinder haben. Die Arbeitszeiten sind flexibel wählbar und auch der Arbeitsort – manche arbeiten auch gern mal von zuhause aus. Es ist uns wichtig, dass diese MitarbeiterInnen lange dabei bleiben wollen und das klappt auch, denn die meisten sind seit über fünf Jahren fest angestellt, was wir alle sehr schätzen. Wir als DreadFactory bestellen immer die gleiche Menge, um den Mitarbeiterinnen die Arbeitsplätze zu sichern, auch wenn wir mal in Durststrecken nicht so viele Bestellungen haben. So versuchen wir in bestellarmen Zeiten trotzdem die Arbeitsplätze zu sichern.
  • Arbeiteplatz-Ausstattung: Klimatisierter Arbeitsraum mit einer kleinen Küche sowie kostenlose Kaffee- und Teeflatrate. Es gibt kostenfreies W-Lan, damit die MitarbeiterInnen auch mal einen Film streamen können, wenn sie möchten. Die Arbeitsplätze sind ergonomisch und solide eingerichtet, da sehr auf die Gesundheit geachtet wird.
  • Safety First: In Zeiten von Corona wird aus Sicherheitsgründen „Homeoffice“ angeboten. Hierzu fährt ein Mitarbeiter in einer Art Managerposition mit dem PKW alle Standorte ab und verteilt Haare bzw. sammelt die fertigen Locs ein. Den MitarbeiterInnen wird auch seitens des Unternehmens angeboten, sich um die Corona-Impfung zu kümmern.

Der Produktionsweg

Die in der Ukraine angefertigten „Dreadlocks-Rohlinge“ werden in Deutschland von einer Mitarbeiterin in Ludwigsburg veredelt, portioniert und beschriftet. Hier findet auch die zweite von drei Qualitätskontrollen statt, bei der die Dreads auf Länge, Durchmesser, Farbe und Verarbeitung geprüft werden. Was noch nicht ganz stimmt, muss nochmal überarbeitet werden und wird entweder vor Ort korrigiert oder geht je nach Aufwand nochmal zurück in die Ukraine. Dabei wird darauf geachtet, CO2-technisch so nachhaltig und effizient wie möglich zu versenden. Was der Qualitätskontrolle stand hält, wird zu mir nach Berlin geschickt, wo ich eine dritte Qualitätskontrolle durchführe und auch nochmal alle Dreads prüfe, bevor ich sie selbst in unsere Papiertütchen verpacke und in unserem Shop in den Verkauf bringe. Manchmal überarbeite ich auch nochmal Kleinigkeiten, wenn mir etwas auffällt, da es einfacher und nachhaltiger ist, diese zu korrigieren, als die Dreads nochmal zurück zu senden. Wenn ihr was bei uns bestellt, nimmt Fabi dann das entsprechende Set aus dem Regal in unserem Lager am Potsdamer Platz in Berlin, legt es in den Versandkarton und übergibt es dem DHL-Mitarbeiter, der die Bestellungen einmal am Tag abholen kommt.

Insgesamt haben wir also 3 Stationen, die unsere Dreadverlängerungen und Poppydreads durchlaufen, bevor wir sie an euch schicken. Wir versuchen bei allem so umweltbewusst wie möglich zu agieren und vermeiden bewusst Plastikabfall.

Vertrauen ist der Schlüssel

Ich beziehe direkt vom deutschen Hersteller. Dadurch vermeide ich, dass irgendwelche dubiosen Zwischenhändler den Lohn der MitarbeiterInnen drücken, um selbst genug abgreifen zu können. Mir ist dieser Direktkontakt zum Hersteller und die Tatsache, dass ich die Dreadfeen selbst kenne wichtig, um sicher zu gehen, dass ich die Dreads mit gutem Gewissen verkaufen kann. Mir hat mal eine missgünstige Person über ein paar Ecken unterstellt, ich würde die Dreads per Kinderarbeit in Indien produzieren lassen. Das hat mich wirklich hart getroffen, weil es mir so wichtig ist, dass es allen gut geht, die an dem Projekt DreadFactory mitarbeiten. Ich vertraue meinem Hersteller und Lieferanten, da ich ihn und Seite MitarbeiterInnen mittlerweile seit vielen Jahren persönlich kenne. Ich schätze diese respektvolle Art und die Transparenz, mit der ich immer wieder eingeladen werde, mir selbst ein Bild von allem zu machen.

Mehr als nur ein Produkt

Dreadextensions sind Handarbeit. Seit vielen Jahren optimieren wir die Qualität, die Produktion, die Abläufe, die Prozesse und währen das alles irgendwie nach Business, Zahlen und Maschinen klingt, möchte ich einmal in euer Bewusstsein rufen, dass das alles Menschen machen. Dreadextensions und synthetische Dreadlocks können nur in passionierter Handarbeit hergestellt werden. Die MitarbeiterInnen sind mittlerweile hoch qualifizierte Fachkräfte, sie sind Profis auf ihrem Gebiet und trotzdem kann es passieren, dass ein Profi auch mal eine Stelle im Dread hat, die nicht ganz so fest ist, nicht ganz so perfekt gehäkelt ist oder wo mal aus Versehen ein Stabilisierungsfaden drin übersehen wurde. Das passiert, das ist menschlich.

Wir kontrollieren die Dreads viel, bevor wir sie verkaufen und wir nehmen jede Reklamation ernst und leiten sie an die Produktion weiter. Das sind wir euch als unseren KundInnen schuldig. Aber bedenkt bitte immer wieviel Liebe und wieviel Arbeit in den Locs stecken und dass es kein Produkt vom Band ist, sondern dass es viel Ausdauer, Übung und Leidenschaft braucht, um sie herzustellen.


Weiterführende Links:

  • Ländervergleich Deutschland Ukraine
  • Ukrainisches Arbeitsgesetz (in Russisch, aber Google Translate hat mir geholfen. Besonders interessant sind die folgenden Paragraphen für uns: §1, §2, §21, §22, §29, §30, §31, §36, §44, §50, §55, §53, §56, §57, §66, §67, §73, §74, §75, §78, §79, §83, §84, §94, §107, §115, §116, §153, §154, §178, §179, §180, §181, §184, §243, §248, §253, §254, §255, §256. Wer da nicht durchsteigt, kann mir mailen und bekommt die entsprechenden Textauszüge.)
  • Ukraine und die Europäische Union

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